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Orientierungslos in Oslo [Teil 2]

Zunächst muss ich einmal loswerden, dass ich mich sehr über eure positiven Resonanzen meiner letzten Reiseberichte gefreut habe! In den letzten Monaten haben sich die Reiseberichte hier fest im Inhalt verankert und das liegt auch an eurem Wohlwollen, deshalb möchte ich euch danken.

Weiter im Text: Anfang September bin ich für 3 Tage spontan nach Oslo gereist, weil das Fernweh groß und die Flüge günstig waren. Im ersten Teil habe ich euch bereits von der Reise, dem ersten Abend und dem ersten vollen Tag in Oslo berichtet. Von der Orientierungslosigkeit zu Beginn, dem Ruhepol am Hafen und der gelungenen Flucht ins Grüne am nächsten Tag- dem Fjord Hopping.

1 1/2 Tage des Kurztrips stehen noch aus und da dort viel passiert ist, enthalte ich sie euch nicht vor:


Freitag

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Die Nacht war kurz und mein Kopf träumt sich noch ins Bett zurück, als ich um 8 das Hostel verlasse. Zum Frühstück gibts Käsebrot, das ich mir in der Schlange vorm Munch Museum reinschiebe. Mein Oslo Pass ist noch gültig und wenn ich schon umsonst reinkomme, kann ich mir auch morgens um 9 Kultur gönnen. Man muss ja möglichst viel mitnehmen.  Inmitten von einer Gruppe Klischee-Chinesen sehe ich mir die Bilder an und fühle mich wie ein Möchtegern-Tourist. Zwar bin ich auch mit Kamera bewaffnet, um die faszinierendsten Werke festzuhalten, aber mit dem fleißigen Filmer, der wirklich den kompletten Rundgang auf Video aufzeichnet, kann ich nicht mithalten.

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Um 10 sitze ich in der Metro 1 Richtung Frognerseteren und finde mich innerhalb von einer halben Stunde am Rande von norwegischen Wäldern wieder. Das Motto „Raus aus der teuren Stadt und ab in die Wildnis“ steht auch heute noch. Zum ersten Mal habe ich einen Tipp von meinem Reiseführer angenommen und mich deshalb auf einen kleinen Wandertrip begeben. Als ich in Voksenkollen aussteige, ahne ich noch nicht, wie schön die nächsten Stunden werden sollen…

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Bergsee Nummer eins ist nur 600m Fußmarsch von der Metro Station weg. Ich stolpere durch ein kleines Wäldchen und bum! Stehe auf einer kleinen Erhöhung! So weit das Auge reicht sehe ich norwegische Wälder und direkt vor mir in einem kleinen Tal diesen idyllischen See, den ich einmal komplett auf einem halb versumpften Trampelpfad umrunde. Mitten in dieser überwältigenden Schönheit der Natur bin ich auf einmal euphorisch und melancholisch zugleich. Wie gern würde ich jetzt diesen Moment mit jemandem teilen- zum ersten Mal seit meiner Ankunft bemerke ich den Nachteil am alleine reisen…

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…und so schnappe ich mein Telefon und rufe einen Freund in meiner Heimatstadt an. Doch seltsamerweise ist es nicht dasselbe. Zwar kann ich mich jetzt davon überzeugen, dass ich gerade nicht träume und diese Schönheit real ist, aber durch den Hörer tropfen ein paar Alltagssorgen, sodass ich das Gespräch vorzeitig wieder beende. Am Wegrand entdecke ich dann mein Mittagessen und komme auf andere Gedanken. Noch nie habe ich so saftige und leckere Heidelbeeren gegessen. Nach einigen Sträuchern sind meine Hände ganz blau und ich fühle mich ein bisschen wie Mowgli.

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Und dann, nach 3 weiteren Kilometern Fußmarsch bleibt mir erneut die Spucke weg. So blaues Wasser habe ich noch nie gesehen (das Foto ist unbearbeitet!), dagegen sehen meine Heidelbeerpfoten langweilig aus. Auf einem schwimmenden Steg mache ich Rast und schiebe mir noch ein labbriges Käsebrot rein- das im Vergleich zu den Heidelbeeren wie Entengrütze schmeckt. Obwohl ich mir noch eine Stunde zuvor menschliche Gesellschaft gewünscht habe, ist nun mein Mitteilungsbedürfnis verschwunden. Ich bin nicht nur sprachlos- sondern auch gedankenlos. All die Alltagssorgen und die zuhause wartende Arbeit sind plötzlich aus meinem Kopf verschwunden und ich existiere nur noch als Statist in der Landschaft. Das einzige, was arbeitet, sind meine Augen, die sich nicht satt sehen können.

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Nach der Rast will ich weiterlaufen, laut meiner puristisch gehaltenen Karte im Reiseführer müsste ich einen Halbkreis gehen, um nach einigen Kilometern in Frognerseteren rauszukommen. Der Wanderweg zeichnet sich durch Wegweiser aus, die halt irgendwann mitten in der Natur da sind- oder auch nicht. Irgendwann verliere ich die Orientierung und bleibe mitten im Nirgendwo wie ein ausgesetzter Hund stehen. Keine zehn Minuten später glaube ich, zu halluzinieren, als mir zwei Hunde entgegen rennen.

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…als dann zwei Norwegerinnen- die Halterinnen- am Horizont auftauchen, bin ich mehr als erleichtert. Im Gegensatz zu meinen vorherigen Erfahrungen sind die zwei unglaublich freundlich und begleiten mich ein Stück, um mir den Weg zu zeigen. Endlich wieder jemand zum Reden! Und: Endlich nicht mehr verloren und halb verrückt in der Wildnis!

Zurück in der Stadt bleibt gerade noch die Zeit, um ein paar Postkarten zu schreiben, bis ich völlig erschöpft ins Bett falle.


Samstag

In frühester Frühe geht es schon wieder zum Flughafen zurück. Abreisetage in einem Reisebericht? JA! Denn die freundlichste Bekanntschaft auf der Reise hatte ich im Zug Richtung Heimat. Die gebürtige Thüringerin ist vor einigen Jahren mit ihrem Lebensgefährten nach Norwegen ausgewandert und besucht den Rest der Familie gerade. Die ganze Zugfahrt unterhalten wir uns- über die Schlange, die ich aus Leichtsinn mit der Linse gejagt habe, obwohl sie giftig ist, über ihre Hunde und meine Reise und als der Zug im heimischen Bahnhof einfährt, bietet sie mir an, als Hundesitter sie mal in Norwegen zu besuchen.

Wenn das nicht das perfekte Ende eines fantastischen Abenteuers ist, dann kann es nur die Grundlage für eine weitere Reise sein …

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Published inKnipsenReisen

4 Comments

  1. Wow, das sieht wirklich wirklich toll aus :) Ich bin echt fasziniert, dass Stadt und Natur dort so nah beieinander liegen. Klingt wirklich nach einem klasse Reiseziel.

  2. Basti Basti

    . echt hübsche fotos.
    und voll genial“

  3. Uli Uli

    Sehr schöne Bilder, der Text ist sehr gut formuliert und macht beim Lesen Lust auf mehr.

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